Krisen und psychische Belastungen können Teil der Doktoratsphase sein. Fast die Hälfte der Doktorand:innen berichtet laut einer aktuellen Studie aus Belgien von psychischen Problemen. Eine Studie aus UK zu Effekten der Corona-Pandemie 2020 lässt zudem darauf schließen, dass die Pandemie Doktorand:innen stärker in ihrem psychischen Wohlergehen beeinträchtigt als anderes Forschungspersonal. Ausschlaggebend hierfür ist die stärkere Unsicherheit der Beschäftigungsverhältnisse, Zukunftssorgen und das Potenzial für Isolation während der Doktoratsphase.
Es gibt eine weit verbreitete Erwartung, dass die Arbeit an einer Dissertation schwierig und stressbehaftet sein muss und dass aussichtsreiche Doktoratskandidat:innen in der Lage sein müssen, dies "auszuhalten". Im Gegensatz dazu soll mit den Ausführungen unten deutlich gemacht werden, dass es Unterstützung bei der Bewältigung von Krisen gibt, sowie Strategien dafür, möglichst beschwingt und produktiv durch diesen Lebens- und Karriereabschnitt zu gehen. Die Informationen richten sich an Doktorand:innen, Dissertations-Betreuer:innen sowie an alle anderen, die sich zum Thema Wohlbefinden & Krisen während der Doktoratsphase informieren möchten. Bereitgestellt sind Handlungsmöglichkeiten zur Prävention und Bewältigung von Krisen, Informationen zum Erkennen von Krisen, hilfreiche Literatur und Materalien, Informationen über die wichtigsten Anlaufstellen sowie Peer-Netzwerke.

Speak out - how to handle the PhD stress: Summary (Info event 2021)
In collaboration with the SIS-Idea-Lab, in 2021 a special event called "Speak out - how to handle the PhD stress" was organized by the then DocService (today: Doctoral Academy). The focus of the session was on the mental health and wellbeing of doctoral researchers. Expert panellists who adressed questions by doctoral candidates: Harald Kreimer, Psychological Counselling Center Graz, University of Graz, Andrea Andorfer, PhD candidate, Medical University of Graz, Irene Trummer, Beratungsstelle für MitarbeiterInnen Lebens- und Sozialberatung/ Life and social counseling, University of Graz.
A recording of this session can be requested by writing a short email to doktorat@uni-graz.at.
Info-Material:
Folder Counselling Services for Academic & Administrative Staff of the University of Graz
Link to psychological help and support for students "Psychologische Studierendenberatung" Graz
Hintergründe von Krisen
Die Autor:innen einer disziplinenübergreifenden Untersuchung in Belgien stellen fest:
a sizeable group of PhD students experience psychological distress or is at risk of having or developing a common psychiatric disorder. Most prevalent are feelings of being under constant strain, unhappiness and depression, sleeping problems due to worries, inability to overcome difficulties and not being able to enjoy day-to-day activities.
Gemäß dieser und anderer Untersuchungen sind es folgende Gründe, die das Risiko psychischer Probleme erhöhen können:
- Hohes Arbeitsvolumen
- Probleme mit den Betreuenden der Dissertation
- Unsichere Zukunftsaussichten innerhalb und außerhalb des universitären Arbeitsmarktes
- Hierarchien und Abhängigkeiten als prägende Elemente des wissenschaftlichen Systems
- Isolation, fehlende Peer-Netzwerke
- Vorkommen von Diskriminierung und sexueller Belästigung
- Herausforderungen im Forschungsprozess
- Fehlende Finanzierung des Vorhabens
- Herausforderungen in persönlichen Beziehungen, mit Vereinbarkeit von Beruf und Familie
- Krankheit
Besonders dem Risiko psychischer Krisen ausgesetzt sind folgende Gruppen:
- International mobile Forscher:innen (aufgrund der Eingewöhnung in ein neues Umfeld, Finanzierung, Visum, neue Sprachumgebung, geringer Kontakt zu Familie und sozialen Netzwerken)
- Isolierte Forscher:innen (u.a. in entlegenden Forschungsgebieten)
- Teilzeit-Forscher:innen (aufgrund von Isolation von einer Forschungscommunity, finanziellen Nöten, Work-Life-Balance-Problemen)
- Forscher:innen mit Behinderung (wenn keine entsprechende Unterstützung zur Verfügung steht, wenn das Umfeld Barrieren beinhaltet)
- Forscher:innen mit Familie und Sorge-Verpflichtungen
[1] Levencque, K. et al. (2017): Work organization and mental health problems in PhD students, Research Policy 46(4), 868-879.
Prävention und Bewältigen von Krisen
Signale für psychische Belastungen können häufigeres Auftreten von Erkrankungen, unerklärliche Häufung von Kopfschmerzen und Verdauungsproblemen, sowie Änderungen in den Schlafgewohnheiten sein (vgl. Infoblatt des Bundesverbandes für Psychotherapie zu Burnout). Unterstützend bei Prävention und Bewältigung von Krisen kann folgendes sein:
Handlungsmöglichkeit: Unterstützende Netzwerke im professionellen Kontext (insbes. mit Peers & Mentor:innen außerhalb des eigenen Instituts) aufbauen & aufrechterhalten.
Potenziale: Sie merken, dass Andere ebenfalls Belastungen haben, lernen deren Strategien der Bewältigung kennen und können um Hilfe bitten und Hilfe anbieten. Sie haben Zugang zu externer, unabhängiger Unterstützung, die mit frischen Augen auf Zusammenhänge blickt.
Handlungsmöglichkeit: Sich darüber informieren, wie eine Beratung bei einer der Anlaufstellen (siehe unten) abläuft. Unverbindliche Informationen über Angebote der einzelnen Stellen einholen.
Potenziale: Sie gewinnen Handlungssicherheit und können abschätzen, ob Sie davon profitieren könnten und was auf Sie zukommt.
Handlungsmöglichkeit: Symptome von Überlastung bei sich selbst wahrnehmen und gegensteuern mit dem, was einem üblicherweise gut tut (z.B. intensiver am sozialen Leben teilnehmen, Sport treiben, Entspannungstechniken praktizieren).
Potenziale: Sie erleben sich als selbstwirksam und eingebunden in eine Gemeinschaft.
Handlungsmöglichkeit: Überlegen, auf welche stabilisierenden Faktoren und unterstützende Organisationen & Personen Sie in einer Belastungssituation zurückgreifen können.
Potenziale: Sie stärken sich durch Selbstfürsorge. Sie haben im Falle einer Belastungssituation kontinuierliche Begleitung durch den Bewältigungsprozess.
Handlungsmöglichkeit: Mit Vertrauenspersonen im persönlichen Umfeld über die Belastungen sprechen.
Potenziale: Dies kann entlastend sein. Es könnte sich zeigen, dass andere Personen die Erfahrung teilen und/oder empathisch sind.
Allgemeine Tipps zum nachhaltigen Planen von Arbeit:
- Schlaf hat Priorität, wenn Sie produktiv bleiben möchten
- Fragen Sie sich bei der Planung Ihrer Arbeit nicht „Was wird von mir erwartet“, sondern „Was ist realistisch an einem Tag zu erreichen, damit ich es auch morgen und übermorgen schaffen kann; Wie lange kann ich mich konzentrieren?“
- Time Blocking: Planen Sie jeden Tag 3-4 Blöcke von 1,5 Stunden ein, um an einer bestimmten Aufgabe zu arbeiten, anstatt darauf zu bestehen, dass Sie bspw. von 9 bis 17 Uhr arbeiten müssen
- Legen Sie eine Uhrzeit für das Beenden des Arbeitstages fest; Disziplin ist auch zu wissen, wann man mit der Arbeit aufhören muss (d.h. „Ich habe heute zum letzten Mal die E-Mails überprüft, ich werde sie morgen wieder überprüfen“)
- Rituale sind nützlich für den Übergang von der Arbeit in die Freizeit; Freizeitaktivitäten in den Kalender eintragen hält davon ab, weiterzuarbeiten, wenn man das Gefühl hat, noch nicht fertig zu sein
Checking in: Die Psychologin Desiree Dickerson führt im Text "How do I support my group members`mental health and wellbeing right now? A cheat sheet for checking in" aus, wie Forschende mit ihren Kolleg:innen, Team-Mitgliedern, Peers und zu betreuenden Doktorand:innen über ihr Wohlbefinden in Austausch treten können - auch wenn sie keine professionellen Therapeut:innen sind.
Mittels Mentoring-Programmen können wichtige professionelle Kontakte aufgebaut werden, die Teil des eigenen Unterstützungsnetzwerkes werden. An der Universität Graz gibt es u.a. ein Mentoring-Programm für Wissenschaftlerinnen, sowie Mentoring-Angebote im Rahmen der Arqus Allianz.
Anlaufstellen: Professionelle Unterstützung
Angebote direkt an/von der Universität
Lebens- und Sozialberatung für alle Mitarbeiter*innen der Universität |
Vertrauensstelle für Konfliktprävention für Mitarbeiter:innen |
Beratung beim Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen zu Mobbing, sexueller Belästigung, Diskriminierung |
Beratung & Intervention durch den Betriebsrat für das wissenschaftliche Personal |
Beratung & Service für Vereinbarkeit Studium/Beruf & Familie durch unikid & unicare |
Beratung in Zus. m. Behinderung, psychischer und chronischer Erkrankung durch das Zentrum Integriert Studieren der Universität |
Psychologisch/Psychotherapeutische Lehr- und Forschungsambulanz - PsyAmb (uni-graz.at) |
Psychologische Beratungsstellen
Psychologische Studierendenberatung Graz (für alle Grazer Hochschulen), psych.ber(at)uni-graz.at; +43 316814748 or +43 664 88342173 |
Übersicht über steir. Beratungsstellen, zusammengestellt von der Plattform Psyche |
Übergeordnete Ombuds-/Stellen
Ombudsstelle für Studierende im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung |
Equality-AG des European Council of Doctoral Candidates and Junior Researchers (Erfahrungen mitteilen, sich einbringen) |
Konflikt- und Mobbingberatung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst: Email |
Informationsportal zu mentaler Gesundheit, Therapie, Zuschüssen von der HochschülerInnenschaft: Mentale Gesundheit - ÖH Uni Graz (oehunigraz.at) |
Peer-Netzwerke: Erfahrungen & Wissen austauschen
(Peer-)Netzwerke sind nützlich für die eigene Forschung, für die professionelle Weiterentwicklung und die Aufrechterhaltung des eigenen Wohlbefindens während der Doktoratsphase (und darüber hinaus).
Es gibt rund um die Universität Graz sowie österreich- und europaweit eine Reihe unabhängiger, selbstorganisierter Netzwerke mit unterschiedlichen Schwerpunkten, sowie universitätsinterne Vernetzungsangebote. Die untenstehende Liste beinhaltet Gruppen und Formate, die für Forschende der Universität Graz möglicherweise interessant sein können. Sie beruht auf sorgfältiger Recherche - dennoch kann für die Richtigkeit der Informationen leider keine Garantie gegeben werden.
Psychologische Studentenberatung: OFFENE STUDIENABSCHLUSSGRUPPE (DONNERSTAG) |
Offene Schreibgruppe für Doktorand*innen: Gemeinsam an eigenen Schreibprojekten arbeiten und sich dabei gegenseitig motivieren |
Feminist Mothering: Offene Diskussionsrunde für alle, die sich für feministische Mutter*-/Elternschaft interessieren und versuchen, diese in all ihrer Vielfältigkeit zu praktizieren, Kontakt |
Netzwerk Qualitative Forschung: Interdisziplinäre Plattform für den Austausch über qualitative Forschungsmethoden und ihre Anwendung |
IG Externe Lektor*innen und Freie Wissen-schaftler*innen: Informationen und Diskussionen zur Situation „freier“ Wissenschaftler:innen Schwerpunkt österreichische Wissenschaftslandschaft |
VarGes: Beratungsstelle für Variationen der Geschlechtsmerkmale, Peer-Kontakte zu intergeschlechtlichen Personen an Hochschule und darüber hinaus |
Mailingliste fem@le-L: Informationen zu feministischen (und) Frauenforschungsthemen in diesem Bereich größte und relevanteste österreichische Liste |
DISTA: In der Arbeitsgruppe und Kooperationsplattform vernetzen sich Menschen, die im Sinne der Disability Studies forschen und arbeiten |
Gerne können uns weitere Gruppen, Vereine, Peernetzwerke zugemeldet werden! Wer selbst ein Peer-Netzwerk gründen möchte und Unterstützung bei der Organisation (z.B. Raumsuche) braucht, kann sich gerne an das DocService-Team wenden.
Hilfreiche Lektüre und Materialien
Self-Care während COVID-19 und darüber hinaus: Tipps von akademischen Coaches und Expert*innen
Petra Boynton (2020): Being Well in Academia: Ways to Feel Stronger, Safer and More Connected, Routledge. |
Tyia Grange Isaacson: Mental Health Guidance for Graduate Students during COVID-19, 15.04.2020, in: The Professor is In (Blog von Karen L. Kelsky) |
Desiree Dickerson: "I wish I’d taken my mental health more seriously in grad school", 20.01.2020, in: Sciencemag.org |
Desiree Dickerson: Seven tips to manage your mental health and well-being during the COVID-19 outbreak, 26.03.2020, in: Nature.com |
Umgang mit Ablehnungen & Kritik im akademischen Feld
Handbuch-Serie: Insider Guides to Success in Academia - Book Series - Routledge & CRC Press |
"Dealing With Rejection", Podcast von Karen L. Kelsky PhD (The Professor is In). |
Jaremka, Lisa M. et al. (2020): Common Academic Experiences No One Talks About: Repeated Rejection, Impostor Syndrome, and Burnout, In: Perspectives on Psychological Science Volume15, 3, 519-543. |
Glass, R.L. (2000): A letter from the frustrated author of a journal paper, In: Journal of Systems and Software, volume 54, issue 1, p.1. |
Hames, I. (2007): Peer Review and Manuscript Management in Scientific Journals. Guidelines for Good Practice. Oxford: Blackwell. S. 103-104 |
Forschungskrisen und -erfolge
Fiedler, W.; Hebecker, E. (2005): „Promotionskrisen und ihre Bewältigung - Empfehlungen zur zielführenden Planung und ergebnisorientierten Gestaltung des Promotionsverlaufs“. In: Berendt, B. et al. (Hg.): Neues Handbuch Hochschullehre, Berlin, Stuttgart, Berlin: DUZ Medienhaus, Raabe, S.1-16. |
Lerchenmueller, M. J. et al. (2019): Gender differences in how scientists present the importance of their research: observational study, BMJ 2019;367:l6573, doi: 10.1136/bmj.l6573, Link. |
Erfahrungsberichte von Doktorand*innen zu Krisen(bewältigung)
Birck, Angelika (2003): Laura promoviert. Eine Satire in sieben Aufzügen [289 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, Art. 17, nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0302171. |
Blog „Café cum laude. dissertieren oder desertieren“: Texte über Krisen während der Dissertation, das Hochstapler-Syndrom, Depression und Doktorat uvm. |
Online-Informationsportale zu Facetten psychosozialen Wohlbefindens
Blog der IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen: Informationen und Hochschulpolitisches für "freie" Wissenschafter*innen |
Information und Veranstaltungen zu Vaterschaft des Verein für Männer- und Geschlechterthemen Steiermark. |
Materialen und Übung zu Diskriminierung der University of Manchester: Where do you draw the line on bullying, harassment and discrimination? |
Portal gegen sexuelle Belästigung an der Hochschule der Leuphana Universität Lüneburg, mit Fallbeispielen, Handlungsoptionen, Ressourcensammlung |
Informationen für Betroffene von Diskriminierung und Belästigung der Universität Graz |
Portal gegen Homophobie, Austausch zu Sexualität und Beziehung, Transgender-Lebensweisen der Beratungsstelle Courage |
Webinar-Video über die Bystander Intervention initiative für mehr Sicherheit am Campus der University College Cork (UCC) School of Law. |
Aktuelle Studien zu psychischer Gesundheit in der Doktoratsphase
Briedis, K. et al. (2020): Gesundheit als Gegenstand der Hochschulforschung: Erste Ergebnisse aus zwei DZHW-Studien mit Promovierenden und Promovierten, DZHW-Brief 02/2020, Link. |
Sverdlik, A., & Hall, N. C. (2020). Not just a phase: Exploring the role of doctoral program stage on motivation and well-being. Journal of Adult and Continuing Education. Vol. 26(1) 97–124. Link. |
Evans, T. M. et al. (2018): Evidence for a mental health crisis in graduate education, Nature Biotechnology 36, 282-284, Link. |
Levencque K. et al. (2017): Work organization and mental health problems in PhD students, Research Policy 46(4), 868-879, Link. |
Panger, G. et al. (2014): The Graduate Assembly of University of California, Berkeley Graduate Student Happiness and Well-Being Report 2014, Link. |
Reevy, G. M. & Deason, G. (2014): Predictors of depression, stress, and anxiety among non-tenure track faculty. Frontiers in Psychology 5, 701, Link. |
Janta, H. et al. (2014): Coping with loneliness: A netographic study of doctoral students. Journal of Further and Higher Education, 38(4), 553-71, Link. |
Studien und Berichte zu verschiedenen Faktoren von wellbeing an der Universität
Durbach/Grey (2018): Grounds for concern: an Australian perspective on responses to sexual assault and harassment in university settings. In: Sundari/Lewis (Hg.): Gender based violence in university communities. Policy, prevention and educational initiatives. Bristol: Policy Press, S. 83–104. |
Zabrodska/Kveton (2013): Prevalence and Forms of Workplace Bullying Among University Employees. In: Employee Responsibilities and Rights Journal 25 (2), S. 89–108. |
Prävention in der Hochschule
Hochmuth, C. (6.6.2020): Was Mobbing in der Wissenschaft verhindert, In: Forschung und Lehre. |
ÖH-Broschüre "Mental Health" zur Psychischen Gesundheit bei Studierenden |